In der öffentlichen Debatte wird stets von einem „Fachkräftemangel im Gesundheitswesen“ gesprochen. Doch betrachtet man die aktuellen Daten für die Schweiz, ergibt sich ein überraschend anderes Bild: Zwar steigen die Prämien und Gesundheitskosten massiv – trotzdem wächst die Zahl der Ärztinnen und Ärzte rapide. Was bedeutet das für unsere Gesundheits- und Wohnungspolitik?

Die Fakten: Mehr Ärzte, höhere Kosten, mehr Wohnungsnot

Laut aktuellen Daten ist die Anzahl Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz seit 2010 um rund 40% angestiegen. Die Ärztedichte wuchs im gleichen Zeitraum um 34% (Quelle: Unomed). Wir sprechen heute von über 41’100 Ärztinnen und Ärzten im Land – ein historisch hoher Wert.

Gleichzeitig zeigt der Krankenversicherungsprämien-Index (KVPI) des Bundesamtes für Statistik für das Jahr 2025 einen weiteren Anstieg von +4,2%. Dieser allein dämpft laut Modellrechnung das Wachstum des verfügbaren Einkommens um 0,3 Prozentpunkte. Seit 2010 sind sogar mindestens 3,2 Prozentpunkte des verfügbaren Einkommens wegen der Prämien verloren gegangen.

Mehr Ärztinnen und Ärzte – aber weiterhin steigende Prämien und Gesundheitskosten. Das passt nicht zum gängigen Narrativ eines generellen Fachkräftemangels.

Der «Fachkräftemangel»: Ein Mythos?

Wenn die Zahl der Ärztinnen und Ärzte kontinuierlich steigt, stellt sich die Frage: Weshalb wird weiterhin von einem Fachkräftemangel gesprochen?

  • Quantität ≠ Verfügbarkeit: Die Gesamtzahl steigt, aber nicht überall. Unterversorgung gibt es punktuell – nicht systemweit.
  • Strukturelle Verteilung: Viele Ärzte arbeiten Teilzeit oder in städtischen Clustern, während ländliche Regionen weniger attraktiv bleiben.
  • Über 40% Ärzte mit ausländischem Abschluss: Die Schweiz importiert Fachkräfte – weil sie es kann, nicht weil ein echter Mangel besteht. Dabei fehlen diese Fachkräfte in anderen EU-Länder, was nicht solidarisch sei.
  • Mehr Angebot führt zu mehr Leistungen: Was das System teurer macht, aber nicht automatisch effizienter.
  • Alterung der Bevölkerung: Die Schweiz altert langsamer als die EU und trotzdem braucht man immer mehr Ärzten und Pfleger

Die Daten widersprechen klar der Behauptung eines strukturellen, nationalen Mangels. Die Schweiz ist medizinisch überversorgt – und gleichzeitig teuer. Auch mit der Demografie hat das nichts zu tun, denn die Schweizer Bevölkerung ist sogar jünger als die der EU.

Die Rolle der Personenfreizügigkeit

Die Personenfreizügigkeit sorgt dafür, dass Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland einfach in die Schweiz einwandern können. Das erhöht die Versorgungskapazität – aber auch die Kosten.

  • Mehr Personal = mehr Leistungen = höhere Kosten
  • Zuwanderung → höhere Nachfrage nach Wohnraum
  • Wohnungsnot verschärft sich weiter

Medizinische Überversorgung bedeutet nicht tiefere Prämien, sondern häufig das Gegenteil: ein System, das immer mehr Leistungen generiert, die letztlich von den Prämienzahlern getragen werden.

Die Schweiz: medizinisch überversorgt, aber politisch falsch gesteuert

Die Kombination aus wachsender Arztzahl, steigenden Gesundheitskosten und steigender Nettozuwanderung zeigt ein strukturelles Problem:

Nicht der «Fachkräftemangel» ist das Problem, sondern ein System, das mehr Angebot schafft, mehr Leistungen verursacht und dadurch die Kosten explodieren lässt.

Während im politischen Raum weiterhin mit Schlagworten wie «Fachkräftemangel» operiert wird, ignoriert man die tatsächlichen Ursachen steigender Kosten und der angespannten Wohnsituation.

Was jetzt nötig wäre

  • Effiziente Steuerung der Gesundheitsleistungen statt blindem Kapazitätsausbau
  • Bessere Kontrolle der Kostenentwicklung im ambulanten und stationären Bereich
  • Klare Wohnraumpolitik, die die Auswirkungen der Zuwanderung berücksichtigt
  • Stärkung der inländischen Ausbildung statt Abhängigkeit vom Ausland
  • Steuerung der Zuwanderung, damit nur die wirklich benötigten Fachkräfte einwandern.
  • Transparente Kommunikation der tatsächlichen Zahlen statt politisch motivierter Schlagworte

Fazit

Der oft wiederholte Satz vom «Fachkräftemangel im Gesundheitswesen» hält einer objektiven Überprüfung nicht stand. Die Schweiz verfügt über eine ständig wachsende Ärzteschaft, eine der höchsten Ärztedichten Europas – und gleichzeitig über immer höhere Gesundheitskosten und eine sich verschärfende Wohnungsnot.

Worunter wir tatsächlich leiden sind steigende Gesundheitskosten, regional ungleiche Versorgungsstrukturen und Rahmenbedingungen, die Wohnraum- und Infrastrukturprobleme erzeugen oder verstärken. Das alles haben die Politiker in den letzten 20 Jahren nicht gelöst – und nun wollen sie mit den Bilateralen III sogar noch mehr Zuwanderung ermöglichen!

Entwicklung seit 2022

Bruttomieten+10 %
Wohneigentumspreise+11 %
Leerstehende Wohnungen-25 %
Reallöhne-2 %
Staustunden+44 %
Arbeitslosigkeit (SECO)+30 %
EU-Bevölkerung in der Schweiz+9 %

Zitat des Monats

«Bis 2026 sind Mietzins-Erhöhungen von über 15 Prozent möglich»

~ Martin Tschirren, Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen